Jürgen Brähmer vor Zeuge-WM: „Ich bin die ‚Mutter der Kompanie‘!“
Am 16. Juli kann Jürgen Brähmer etwas einmaliges vollbringen: der Schweriner will als erster aktiver Weltmeister einen anderen Boxer zum WM-Titel führen. Zudem könnte Super-Mittelgewichtler Tyron Zeuge der jüngste deutsche Box-Weltmeister aller Zeiten werden. Für dieses Vorhaben hat Multitalent Brähmer keinen Stein auf dem anderen gelassen. In welchen Bereichen sich sein Schützling weiterentwickelt hat und wie er Zeuges Gegner Giovanni De Carolis einschätzt, erzählt Brähmer hier im Interview.
Jürgen Brähmer, was ist leichter – jemanden zu trainieren oder selbst im Ring zu stehen?
Jürgen Brähmer: Das kann man nicht miteinander vergleichen. Als Aktiver hat man die Entscheidung in den eigenen Fäusten. Der Trainer sorgt im Gegensatz dazu für eine optimale Vorbereitung seines Schützlings, kann aber nur Hinweise während des Kampfes geben. Beide Aufgaben haben auf jeden Fall ihren Reiz.
Für das Training von Tyron Zeuge haben Sie sich mit Conny Mittermeier zuletzt Verstärkung ins Team geholt. Wie teilen Sie sich die Arbeit auf?
Jürgen Brähmer: Conny ist einer der besten Trainer, die ich kenne. Als ich dann seine erste Einheit mit Tyron an den Pratzen gesehen habe, war klar, dass er eine unglaubliche Verstärkung an unserer Seite ist. Wir legen gemeinsam den Trainingsablauf fest, diskutieren nach jeder Einheit, was man noch besser machen kann. Mit uns beiden hat Tyron die perfekte Mischung an seiner Seite.
Neben Mittermeier haben Sie für die Vorbereitung von Zeuge jede Menge Experten um sich gescharrt. Fühlen Sie sich, wie einst Franz Beckenbauer, mehr als Team-Manager, denn als Trainer?
Jürgen Brähmer: Ich bezeichne mich gern als „Mutter der Kompanie". Von früh morgens um 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr abends arbeite ich am Projekt „Weltmeister Zeuge". Ich organisiere ja nicht nur das Training, sondern nehme ja selbst aktiv daran teil. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, dass Tyron am 16. Juli siegt. Ich sage aber auch, dass ich diese Last so in Zukunft nicht mehr tragen kann. Doch darüber machen wir uns nach dem Kampf Gedanken.
Tyron Zeuge kann jüngster deutscher Profi-Weltmeister werden. Merken Sie ihm oder dem Team einen besonderen Druck an? Verspüren Sie gar selbst Druck?
Jürgen Brähmer: Überhaupt nicht! Als Athlet stehst du immer unter dem Druck des Gewinnens. Das ist also nichts Neues – weder für ihn noch für mich! Ich denke, dass wir dafür alles getan haben. In allen Bereichen wurden neue Reize gesetzt. Wir haben so abwechslungsreich trainiert, wie ich es selbst noch nicht erleben konnte. Und das Wichtigste, Spaß bei der Arbeit zu haben, ist dabei nicht auf der Strecke geblieben.
In welchen Punkten hat sich Zeuge zuletzt denn speziell weiterentwickelt?
Jürgen Brähmer: Besonders in Sachen Beweglichkeit und Schlagauswahl hat der Junge gewaltig zugelegt. Ob er dazu die nötige Kaltschnäuzigkeit hat, unsere Strategie umzusetzen, wird erst der Kampf gegen De Carolis zeigen.
Wie stark sehen Sie denn den WBA-Weltmeister im Super-Mittelgewicht?
Jürgen Brähmer: Das ist ein starker und erfahrener Mann, der mit allen Wassern gewaschen ist. Ihm den Schneid im Duell „Mann gegen Mann" abzukaufen, wird für Tyron der Schlüssel zum Sieg sein. Gegen Feigenbutz hat man ja sehen können, was für ein Fuchs dieser De Carolis ist.
Um das zu üben, standen Sie kürzlich auch mal mit Zeuge im Ring, da ein Trainingspartner ausfiel. Wer war da eigentlich der Stärkere?
Jürgen Brähmer: Im Sparring geht es nicht darum, wer besser oder schlechter ist. Da passt zum Beispiel der Vergleich mit einem Testspiel im Fußball gut – Abläufe werden einstudiert, Fehler aufgedeckt und abgestellt. Deutschland besiegte Italien Anfang des Jahres problemlos 4:1, doch bei der EM kam man nur nach Elfmeterschießen weiter. Im Endeffekt zählt eben die Leistung im Wettkampf!
Das ist die perfekte Überleitung zur finalen Frage: bleibt der Italiener De Carolis am 16. Juli ein deutscher Angstgegner oder nicht?
Jürgen Brähmer: Für mich waren italienische Boxer nie Angstgegner – ich habe sie alle klar geschlagen. Ich hoffe, dass sich Tyron an mir ein Beispiel nimmt und sich dann den WM-Titel holt. So ein Zitterspiel, wie zuletzt beim Fußball, muss es aber nicht sein.